Heinrich Hoerle

1895 Köln – 1936 Köln

Blumenstrauß im Tonkrug

Öl /Leinwand     71 x 50 cm

Monogrammiert und datiert 1929
Werkverzeichnis Nr.: 58

Verkauft

Heinrich Hoerle - ein Realist zwischen Ironie und Metaphysik

Das Gesamtwerk Herich Hoerles (1895 - 1936) präsentiert sich einem ersten unbefangenen Blick in verblüffender, vielleicht verwirrender, in jedem Falle aber schillernder Vielfalt bildnerischer Formulierungen. Ungewohntes, steht beieinander: reine zweidimensionale Flächenkonstruktionen neben realistisch ausgeführten, schon plastisch anmutenden Figurationen; kubistische Elemente neben jugendstilartig fließenden Linien, die oft zu karikierenden Umschreibungen verwendet werden. Zwielichtige Techniken wie die des Scherenschnitts werden kontrastiert mit dynamisierender, futuristischer Auflösung der Dinge, und bisweilen finden sich nahezu alle genannten Elemente in einem einzigen Bild. Sogar die Materialien sind oft ungewöhnlich, lassen dabei allerdings immer eine unverwechselbare Handschrift erkennen.
Die erste und einfachste Erklärung dieses Sachverhaltes wäre die biographische: Hoerle verstarb bereits kurz vor seinem 41. Geburtstag, viel zu früh und all zu oft von widrigen Zeitumständen gehemmt, als dass er ein umfangreiches Hauptwerk hätte hinterlassen können — er blieb vorwiegend Experimentator. Bevor er zum Jahreswechsel 1931/32 seine, wie er selbst es nannte, "endgültige Wendung" zur Wachstechnik vollzog, versuchte der Autodidakt sich in den zeitgenössischen Techniken und Materialien, entwickelte sie weiter, formte sie in eigenen Besitz um; er ging dabei zuweilen Umwege wie jeder andere Künstler auch.
Entsprechend viel Unvollendetes findet sich daher in seinem Oeuvre, allerdings auch viele Gelegenheits- bzw. Gefälligkeitsarbeiten, über deren Qualität man durchaus geteilter Meinung sein darf. Man möchte in einem ersten Anlauf beinahe von einem umfangreichen, durchgängig von Experiment bestimmten Frühwerk sprechen, das schon nach kurzer Reifephase vom Tode abgebrochen wurde.
Bei näherem Zusehen wird diese Deutung jedoch fragwürdig, besser gesagt, unzureichend. Es werden dann allmählich gerade durch die Brüche hindurch Kontinuitäten und Konsequenzen sichtbar, es schält sich so etwas wie ein Strang heraus, in dem die jeweils erlangten Fähigkeiten gleichsam verflochten sind, und den herum sich die Werkphasen gruppieren, deren jede die Errungenschaften der vorausgegangenen enthält, aber auch immer über den je erreichten Stand hinausdrängt, sobald dessen technische Möglichkeit erschöpft sind.
So erweisen sich die einzelnen Phasen als durchaus notwenige Durchgangsstadien; das in ihnen erworbene Können entfaltet sich endlich in der Arbeit mit Wachs, das zu äußerster Disziplin anhält, dafür aber eine unvergleichliche metaphysische Qualität besitzt: die der Transparenz der Welt im Material selbst sichtbar werden zu lassen. In der technischen Artistik erreicht Hoerle zuletzt eine Vollkommenheit, die an die Brüder von Eyck erinnert, ohne jedoch deren formale Beredsamkeit zu teilen.
Die "immanente Transzendenz" der Welt war immer auch ein religionsphilosophisches Thema, dennoch könnte es zu Missverständnissen führen, die letzte Werkphase unreflektiert als religiös zu bezeichnen; sie ist es allenfalls im Sinne Musils, ebenso wie Hoerle ein Fanatiker der Exaktheit, der von seinem Hauptwerk "Der Mann ohne Eigenschaften" sagte, es sei religiös nur unter der Vorraussetzung der Ungläubigen, und er bekanntlich halb ironisch, halb ernsthaft, ein "Erdensekretariat der Genauigkeit und Seele" forderte.
Um die innere Konsequenz und Folgerichtigkeit im Werk Hoerles deutlich zu machen, wird es unter vier Aspekten untersucht: 1. Die Ironie der Dinge, 2. Die Ordnung der Dinge, 3. Dei Faszination der Dinge, und 4. Die Identität der Dinge. Diese Aspekte folgen zwar weitgehend der Chronologie des Oeuvres, müssen diese aber bisweilen zugunsten der inneren Logik durchbrechen. Ein drastisches Zwischenspiel Hoerles ist nicht zuletzt dank der Forschungsarbeit des Kölnischen Kunstvereins in den Einzelheiten relativ exakt belegbar.

Literatur: Text aus Katalog der Richmod Galerie, Casimir Hagen, Köln um 1936

Heinrich Hoerle